Die Datenübertragung ist das Rückgrat der modernen Informationsgesellschaft, im Großen wie im Kleinen. Im Internet werden Daten zwischen Computern auf der ganzen Welt ausgetauscht, meist über Glasfaserkabel. Innerhalb eines Computers hingegen müssen Informationen zwischen verschiedenen Prozessoren hin und her transportiert werden. Ein zuverlässiger Datenaustausch ist auch für die neuen Quanteninformationstechnologien, die derzeit entwickelt werden, von großer Bedeutung – aber gleichzeitig auch höllisch schwierig. An der ETH Zürich ist es einem Physikerteam um Andreas Wallraff vom Labor für Festkörperphysik nun gelungen, Quanteninformationen auf Knopfdruck und mit hoher Wiedergabetreue zwischen zwei etwa einen Meter voneinander entfernten Quantenbits zu übertragen. Ihre Ergebnisse werden diese Woche in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Fliegende Quantenbits
Die Haupteigenschaft von Quanteninformationstechnologien wie Quantencomputern und Quantenkryptographie ist die Verwendung von Quantenbits oder „Qubits“ als elementare Informationseinheit. Anders als klassische Bits können Qubits nicht nur den Wert 0 oder 1 annehmen, sondern auch sogenannte Superpositionszustände annehmen. Dadurch ergibt sich einerseits die Möglichkeit, extrem leistungsfähige Computer zu bauen, die diese Überlagerungszustände nutzen, um Berechnungen wesentlich effizienter und schneller durchzuführen als klassische Computer. Andererseits sind diese Zustände auch sehr empfindlich und können nicht einfach mit herkömmlichen Techniken übertragen werden. Das Problem besteht darin, dass der Zustand eines stationären Qubits zunächst in ein sogenanntes „fliegendes“ Qubit, beispielsweise ein Photon, und dann wieder in ein anderes stationäres Qubit umgewandelt werden muss. Vor einigen Jahren gelang es Forschern, auf diese Weise den Quantenzustand eines Atoms zu übertragen. Wallraff und seinen Mitarbeitern ist es nun gelungen, eine solche Übertragung auch von einem supraleitenden Festkörper-Qubit zu einem anderen in einiger Entfernung zu realisieren.
Dazu verbanden die Physiker zwei supraleitende Qubits mit einem Koaxialkabel, wie es auch für die Verbindung zu Antennenanschlüssen verwendet wird. Der Quantenzustand des ersten Qubits, der durch die Anzahl der darin enthaltenen supraleitenden Elektronenpaare (auch Cooper-Paare genannt) definiert ist, wurde zunächst mit sehr präzise gesteuerten Mikrowellenpulsen auf ein Mikrowellenphoton eines Resonators übertragen. Von diesem Resonator aus könnte das Photon dann durch das Koaxialkabel zu einem zweiten Resonator fliegen, in dem Mikrowellenpulse seinen Quantenzustand erneut auf das zweite Qubit übertragen. Ähnliche Experimente wurden kürzlich an der Yale University durchgeführt.
Deterministisch statt probabilistisch
„Der wichtige Punkt unserer Methode ist, dass die Übertragung des Quantenzustands deterministisch ist, also auf Knopfdruck funktioniert“, betont Philipp Kurpiers, Doktorand in Wallraffs Labor. In einigen früheren Experimenten konnte bereits eine Übertragung von Quantenzuständen realisiert werden, diese Übertragung war jedoch probabilistisch: Manchmal funktionierte sie, meistens jedoch nicht. Eine erfolgreiche Übertragung könnte beispielsweise durch ein „Ankündigungsphoton“ signalisiert werden. Wenn die Übertragung nicht funktionierte, versuchte man es einfach noch einmal. Dadurch wurde natürlich die effektive Quantenübertragungsrate stark reduziert. Für praktische Anwendungen sind daher deterministische Methoden, wie sie jetzt an der ETH demonstriert werden, klar von Vorteil.
„Unsere Übertragungsrate für Quantenzustände gehört zu den höchsten, die je realisiert wurden, und mit 80 % ist unsere Übertragungstreue bei der ersten Realisierung des Protokolls sehr gut“, sagt Andreas Wallraff. Mit ihrer Technik konnten die Forscher außerdem bis zu 50.000 Mal pro Sekunde eine quantenmechanische Verschränkung zwischen den Qubits erzeugen. Der Übertragungsvorgang selbst dauerte weniger als eine Millionstelsekunde, sodass bei der Übertragungsgeschwindigkeit noch deutliches Verbesserungspotenzial besteht. Durch die quantenmechanische Verschränkung entsteht eine enge Verbindung zwischen zwei Quantenobjekten auch über große Entfernungen, eine Eigenschaft, die für Kryptographie oder Quantenteleportation genutzt wird.
Quantentransfer für Quantencomputer
Als nächsten Schritt wollen die Forscher versuchen, jeweils zwei Qubits als Sender und Empfänger zu nutzen, was einen Verschränkungsaustausch zwischen den Qubit-Paaren ermöglicht. Ein solches Verfahren ist für größere Quantencomputer nützlich, die in den nächsten Jahren gebaut werden sollen. Bisher bestehen sie nur aus einer Handvoll Qubits, aber beim Versuch, größere Computer zu bauen, muss man sich bereits bei einigen hundert Qubits Gedanken darüber machen, wie man sie am effektivsten verbindet, um die Vorteile eines Quantencomputers im Internet nutzen zu können bestmögliche Weg.
Ähnlich wie heute Cluster einzelner Computer könnten Quantencomputermodule dann mithilfe der Wallraff-Technik miteinander verbunden werden. Die Übertragungsdistanz, die derzeit etwa einen Meter beträgt, könnte durchaus erhöht werden. Wallraff und seine Kollegen haben kürzlich gezeigt, dass ein extrem kaltes und damit supraleitendes Kabel Photonen über Entfernungen von mehreren zehn Metern mit sehr geringem Verlust übertragen kann. Die Verkabelung eines Quantenrechenzentrums scheint daher durchaus machbar.